<span style='font-size:14pt;line-height:100%'>der himmel ist eine irische kneipe von RALF SOTSCHECK
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Die Protestanten sind verratzt. Ihr Himmel ist ein Refugium der Langeweile, und zwar für alle Ewigkeit, während die Katholiken Partys feiern, bis sie die Entlein im Bierseidel schwimmen sehen.
Die Simpsons, jene gelbgesichtige Cartoon-Familie aus Springfield, wird in der Folge "Der Vater, der Sohn und der heilige Gaststar" zum Katholizismus bekehrt. Der heilige Gaststar ist der Nordire Liam Neeson, der die Hauptrolle in "Schindlers Liste" gespielt hat. Bei den Simpsons spricht er den Rapper-Pfarrer Seán. Da Bart von der Springfield-Grundschule geflogen ist, wird er nun auf der Konfessionsschule St. Jerome von Father Seán und einer irischen Nonne unterrichtet, die ihm den Katholizismus schmackhaft machen.
Der katholische Himmel ist wie eine irische Kneipe angelegt - mit endlosen Strömen von Alkohol, zünftigen Schlägereien und Riverdance. Das überzeugt auch Barts Vater Homer. "Juchhu, die Katholiken sind auf dem Vormarsch", jubelt er. "Wir haben Boston, Südamerika und den besseren Teil von Irland." Bei den Protestanten hingegen trägt man im Himmel Polohemden und spielt ständig Croquet oder Badminton.
Zunächst musste die Ausstrahlung der Simpsons-Folge verschoben werden, weil Johannes Paul II. gestorben war und man nicht den Eindruck erwecken wollte, er raufe nun mit irischen Saufnasen im Himmel. Als sie schließlich gesendet wurde, gab es erwartungsgemäß Ärger. Die gottesfürchtigen US-Amerikaner griffen wegen der gelben Comic-Figuren sofort zur Bibel. Als erste protestierten die Protestanten. "Das ist ungeheuer beleidigend", monierte ein Dekan, "wir stehen als hoffnungslose Langweiler da. Die Katholiken haben viel mehr Spaß."
Diese Art von Spaß gefiel aber Michael McGreil von der katholischen "Vereinigung völliger Abstinenzler" nicht. "Wir dürfen nicht vergessen, dass ein nüchterner Himmel auch sehr schön sein kann", sagte er. Wenigstens werde der Simpsons-Himmel "als Ort des Glücks" dargestellt, wenn auch aus den falschen Gründen. "Im wahren Himmel sieht man laut Katholizismus Gottes Antlitz in der Gegenwart der Heiligen", hofft McGreil. "Niemand auf Erden kann sich vorstellen, wie das ist." Als Abstinenzler kennt er durch Alkohol hervorgerufene Halluzinationen selbstverständlich nicht.
Vielleicht ist ja auch alles ganz anders. Der Intendant eines pfälzischen Theaters erzählte mir einmal die Geschichte eines Atheisten, der stirbt und in die Hölle kommt. Er wacht auf, und alles ist wunder-, wunderschön: Er liegt am Strand, die Sonne scheint, eine nette Bedienung bringt kühle Getränke, abends gibt es ein mehrgängiges Dinner und danach legt er sich in ein komfortables Bett. Am nächsten Tag geht der Atheist spazieren. Hinter einem Hügel entdeckt er ein furchtbares Inferno: In einem Schwefelsee werden schreiende Menschen gargekocht. Der Atheist ist ein wenig irritiert und zieht sich in seinen Liegestuhl am Strand zurück, wo ihm sein Gastgeber, ein hinkender Mann mit Pferdefuß, einen gut gemixten Tequila Sunrise serviert. Der Atheist fragt ihn, was es mit den armen Menschen im Schwefelbad auf sich habe. "Tja", antwortet der Hinkefuß, "die Christen wollen es ja nicht anders."
taz Nr. 7688 vom 13.6.2005, Seite 20, 105 Zeilen (Kommentar), RALF SOTSCHECK