Akte X: Monster der Woche
Ausgespukt: Ein müder Epilog zur "Akte X"-Erzählung
Ein tiefsitzendes Misstrauen gegen jede Form von Staatsräson und offizieller Geschichtsschreibung, ein Faible für extraterrestrische Lebensformen und Verschwörungstheorien aller Art, schließlich die Überzeugung, die ewig flüchtige Wahrheit müsse irgendwo "da draußen" doch zu finden sein - damit wurde der Fernsehmacher Chris Carter zu einer Art kulturellem Leitfossil für die unterbeschäftigten neunziger Jahre. In seinem Privatuniversum der "X-Files" versuchte er neun Staffeln und neun Jahre lang, immer wieder den ganz großen Bogen zu spannen, den "mythisch" zu nennen bei Fans und Machern gleichermaßen Pflicht war: Woher kommen wir, wohin gehen wir - und wann übernehmen die Aliens endgültig die Kontrolle?
Die Antworten darauf sind nach dem Ende der Serie natürlich keineswegs klarer geworden, im Gegenteil - aber da hilft der neue, spätgeborene, gewissermaßen nachgeklappte "X-Files"-Kinofilm nun leider auch nicht weiter. Stattdessen erinnert er an eine ganz andere Tradition der Serie, die nie so beachtet wurde, aber immer schon ein Grundpfeiler des Erfolgs war: das sogenannte "Monster of the Week".
So wurden die zahllosen absurden und bizarren Kreaturen genannt, mit denen sich die beiden FBI-Agenten Mulder und Scully meist nur eine Folge lang herumschlagen mussten, ohne dass dies irgendwelche größeren Implikationen hatte: vom superbeweglichen Toilettenrutscher-Mutanten, der alle dreißig Jahre aufwachte, um seinen Hunger nach menschlicher Leber zu stillen, über den Werwolf-Indianer oder den Fastfood-Kannibalen bis hin zu dieser riesigen, menschenfressenden Pilz-Lebensform, die wundersame Halluzinationen auslösen konnte. Wie denkt, lebt, reagiert man, wenn man soviel Unfassbares gesehen hat? Wenn der Blick vom unaufhörlichen Vorüberziehen der Monster schon unendlich müde geworden ist? Die Frage der seriellen Abnutzung, der unheilbaren Thrill-Erschöpfung, sie prägt "Akte X - Jenseits der Wahrheit" von Anfang an. Es muss halt nur leider noch ein weiteres "Monster of the Week" zur Strecke gebracht werden, das sich diesmal an Kopftransplantationen im Stil des russischen Chirurgen Demikhov versucht.
Warum Fox Mulder (David Duchovny), als Einsiedler lebend, entehrt und von der Polizei gesucht, dazu noch einmal vom FBI reaktiviert werden muss, erscheint von Anfang an schleierhaft. Ein wegen Pädophilie verurteilter, zottelhaariger Ex-Priester hat Visionen von Mord und Entführung, die manchmal sogar seine Augen bluten lassen, aber er führt die Ermittler sehr konkret zu Leichenteilen und später auch zu Leichen im Eis.
Klar also, dass man auf ihn hören sollte, dafür braucht man Mulder nicht, und der ewige Skeptizismus der Rationalisten im FBI wirkt nun aufgesetzter als je zuvor. Dana Scully (Gillian Anderson) wiederum macht nur halb mit, als leidenschaftliche Ärztin hat sie genug anderes zu tun - aber gemessen daran, was sie schon alles gesehen hat, reagiert sie doch erstaunlich schreckhaft auf diesen zauseligen Ex-Kinderschänder.
So hat man bald das Gefühl, dass eigentlich gar nichts zusammenpasst: Die Vergangenheit der Figuren dementiert ihre Gegenwart - und andersherum; das Schurken-Pärchen, das en passant auch als homophobes Argument gegen die Schwulenehe eingeführt wird, weckt allenfalls müde "Schweigen der Lämmer"-Erinnerungen; und Mulder und Scully wissen so wenig wie eh und je, was sie miteinander anfangen sollen - auch wenn sie nun völlig unmotiviert zwischen schwermütigem Einzelgängertum und zärtlichen Kuschelszenen hin- und herspringen. Wer sich aufmacht, um noch einmal die Schlussbilanz eines Pop-Phänomens zu ziehen, und dann am Ende mit derart leeren Händen dasteht - der weckt den Verdacht, dass "da draußen" schon immer nur eines war: nichts. TOBIAS KNIEBE
THE X-FILES: I WANT TO BELIEVE, USA 2008 - Regie: Chris Carter. Buch: Chris Carter, Frank Spotnitz. Kamera: Bill Roe. Schnitt: Richard A. Harris. Musik: Mark Snow. Mit: David Duchovny, Gillian Anderson, Amanda Peet, Billy Connolly, Xzibit, Adam Godley, Mitch Pileggi, Callum Keith Rennie. 20th Century Fox, 105 Minuten.