Ich hab die Geschichte (also nicht die Amoklauferei, sondern die mit der Wachkoma-Patientin) auch verfolgt und bin da echt sehr geteilter Meinung.
Erstens: Wachkomapatienten sind
nicht hirntot. Das darf man nicht verwechseln. Sie haben definitiv noch meßbare Hirnströme, und das macht den Unterschied.
Zweitens, @nemcon: Ich wüßte auch nicht, daß jemals ein Wachkomapatient wieder aufgewacht wäre, will das aber nicht unbedingt bestreiten - kannst Du mir irgendeinen Link, eine Quelle, irgendwas zu dem Thema nennen? Nach meinem Kenntnisstand ist ein Aufwachen in dem Falle zwar prinzipiell
möglich, aber es gibt bislang keinen dokumentierten Fall...!?
Es gibt Wachkomapatienten, die trotz zunächst schlechter Prognosen wieder aus dem Wachkoma herausgekommen sind. Dies ist aber nach 15 Jahren sicher auszuschliessen.
Ergibt sich die Frage: Wieso
sicher auszuschließen??! Ist es nicht, behaupte ich - das müßtest Du mir erstmal schlüssig belegen.
Und zu dem konkreten Fall: Zuallererst finde ich es so grotesk wie bezeichnend für unsere (bzw. die Ami-) Gesellschaft, daß um einen solchen Einzelfall ein derartiger Hype veranstaltet wird, wohingegen andernorts die Leute sterben gelassen werden wie die Fliegen, und keinen kümmerts.
Dann *fühle* ich mit dieser Patientin und wünsche mir innigst, falls mir sowas mal passiert, möge man kurzen Prozeß machen und mich zu Asche und Staub zurückgehen lassen, ohne großes Aufhebens - oder gar neue Gesetze - darum zu machen. Hey, das hier ist zwar keine Patientenverfügung in dem Sinne, - aber ein reproduzierbares und beweisendes Dokument meiner Willensäußerung.
Und außerdem finde ich es, nebenbei bemerkt, ziemlich erstaunlich, daß diese bedauernswerte Frau tatsächlich 15 Jahre durchgehalten hat, ohne an typischen Komplikationen wie Lungenentzündung oder -embolie durch Thrombose draufzugehen. Echt ungewöhnlich. Als Gegenbeispiel: Jemand aus meinem (weit gefaßten) Bekanntenkreis ist kürzlich aufgrund ähnlicher Umstände nach ca. vier Jahren an einer Infektion gestorben - vorgestern war die Beerdigung.
Nunja, und dann mal zum eigentlichen ethischen und juristischen Problem: Wenn nicht beweisbar ist, was die Patientin zu Lebzeiten zu diesem Thema geäußert hat, dann ist der Fall formell gesehen ziemlich schwierig. Da könnte ja jeder kommen und Behauptungen aufstellen mit dem Ziel der eigenen - wie auch immer gearteten - Bereicherung. Das ist zwar nur die juristische Seite, aber auf die kommt es letztendlich an, wenn man eine rechtsgültige Entscheidung treffen muß.
Nehmen wir mal an, die Frau will tatsächlich unter solchen Umständen nicht mehr leben, dann handeln die Eltern ziemlich egoistisch und der Ehemann selbstlos und ausschließlich im Sinne seiner Frau. Er muß fürderhin mit dem Bewußtsein leben, daß sie nur durch seine beharrliche Anstrengung, die er nach ihrer Maßgabe unternommen hat, gestorben ist, und hat damit so gesehen ein Menschenleben auf dem Gewissen. Ich möchte nicht mit dem Mann tauschen. Aber wenn sie wirklich geäußert hat, sie wolle nicht im Wachkoma liegen und künstlich am Leben gehalten werden, dann tut er damit trotzdem das einzig richtige - ich unterstelle mal, aus Liebe zu seiner Frau, die nicht mehr selber für ihre Belange einstehen kann...
Und ich finde es grausam, auf dem Rücken eines wehrlosen Menschen eine solche Schlammschlacht auszutragen... das ist aber nur meine Meinung, die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt.
Also, ich würde sie, emotional betrachtet und unter der Prämisse, daß sie wirklich solches geäußert hat, sofort sterben lassen. Ich erkenne aber an, daß ein außenstehender Jurist, der diesen Fall zu beurteilen hat und keine Beweise für ihre Willensäußerung vorliegen hat, im Zweifel sehr vorsichtig entscheiden muß, um einem Mißbrauch auf jeden Fall vorzubeugen. Eben zwiespältig, wie gesagt...
Und noch ein letztes: Wenn man mal alle (un-)möglichen Möglichkeiten in Betracht zieht (frei nach dem Motto: Es gibt Dinge, die gibts gar nicht), könnte es doch sein, daß die Frau sehr wohl imstande ist, die Realität um sich herum zu registrieren und sich sogar Gedanken zu machen (unwahrscheinlich, aber das Gegenteil ist derzeit noch nicht beweisbar). Es wäre doch dann denkbar, daß sie nach mittlerweile 15 Jahren ihre Meinung zu dem Thema geändert hat und sich an die Hoffnung klammert, irgendwann wieder aufzuwachen - will meinen: Sie will vielleicht gar nicht mehr sterben, obwohl sie das in Unkenntnis der Wachkoma-Situation vor Jahrzehnten vielleicht geäußert hat...? Und da fängt es dann echt an, philosophisch zu werden...
Schwierig, das. Aber wenns so einfach wäre, wär das alles so gar nicht passiert.
Best wishes,
eclipse