(Die Hoffnung stirbt zuletzt...)
Bayern und NRW boykottieren Schreibreform
Stoiber will warten, bis der Rat für Rechtschreibung in den nächsten Monaten seine Empfehlungen für Korrekturen vorlegt. Jürgen Rüttgers schließt sich der Entscheidung an
Hamburg - Die Rechtschreibreform kann doch nicht bundesweit in Kraft treten: Zwei Wochen vor ihrem bundesweit verbindlichen Start kündigte Bayern überraschend an, die neuen Regeln entgegen dem Beschluß der Ministerpräsidentenkonferenz noch nicht einzuführen. Zugleich rief der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber in der „Bild am Sonntag“ die übrigen Länder zur Nachahmung auf. Nordrhein-Westfalen hat sich laut einem „Spiegel“-Vorabbericht der bayerischen Entscheidung bereits angeschlossen.
„Bayern wird die Rechtschreibreform zum 1. August nicht in Kraft setzen. Wir wollen warten, bis der Rat für Rechtschreibung in den nächsten Monaten seine Empfehlungen für Korrekturen vorlegt. Denn ich will die Vorschläge des Rats für Rechtschreibung übernehmen“, sagte der CSU-Vorsitzende dem Blatt. „Ich hoffe, daß sich andere Länder anschließen. Mit meinen Kollegen etwa aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und dem Saarland bin ich schon im Gespräch“, sagte Stoiber. „Es macht keinen Sinn, die Reform jetzt verbindlich einzuführen und schon im nächsten Jahr wieder Änderungen vorzunehmen. Das sollte eigentlich jeder einsehen.“
„Wir wollen den Empfehlungen des Rates zum Erfolg verhelfen“, sagte der neue nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers dem „Spiegel“. Der neue bayerische Kultusminister Siegfried Schneider sagte dem Blatt, er wolle die bisher geltende Übergangsfrist, in der neben den neuen auch die alten Schreibweisen gültig waren, „bis auf weiteres verlängern“. Er gehe davon aus, „daß der Rat innerhalb eines Jahres zu tragfähigen Lösungen kommen wird“.
Das Expertengremium war nach heftiger öffentlicher Kritik an dem neuen Regelwerk von der Kultusministerkonferenz (KMK) im vergangenen Jahr eingesetzt worden und hatte in den Bereichen Getrennt- und Zusammenschreibung, Worttrennung und Zeichensetzung Änderungsvorschläge gemacht. Laut einstimmigem Beschluß der KMK vom 3. Juni sollte für diese Bereiche zunächst weiterhin die Übergangsregelung gelten, die übrigen Teile der Rechtschreibreform sollten aber verbindlich am 1. August für Behörden und Schulen in Kraft treten.
Am 23. Juli war die Ministerpräsidentenkonferenz diesem Votum der Kultusminister gefolgt. Eine von den unionsgeführten Bundesländern vorgeschlagene Verschiebung der endgültigen Umsetzung der Reform hatten die Regierungschefs mehrheitlich abgelehnt. Die Umsetzung der Reform zum 1. August 2005 war von den Bundesländern bereits 1997 einstimmig beschlossen worden. Von diesem Zeitpunkt an sollten Lehrer die alten Regeln nicht nur kenntlich machen, sondern auch als Fehler werten. WELT.de
Artikel erschienen am Sa, 16. Juli 2005