Verfasst: 4. Feb 2007, 13:09
EInige haben es sicher schon mitbekommen, das renommierte Label <a href='http://dependent.de/' target='_blank'>Dependent</a> gibt angesichts sinkender Verkaufszahlen und Internetpiraterie auf und stellt nach den noch geplanten VÖs Mitte des Jahres den betrieb ein. Im Booklet des aktuellen Label-Samplers "Dependence Vol. 2" gibt Label-Chef Stefan Herwig dazu ein ausführliches Statement, das auch auf der Seite des Labels zu lesen ist:
<a href='http://dependent.de/en/booklet_de.php' target='_blank'>http://dependent.de/en/booklet_de.php</a>
<a href='http://dependent.de/en/booklet_de.php' target='_blank'>http://dependent.de/en/booklet_de.php</a>
Das Ende einer Ära
Dieser Text erschien zuerst in dem Dependence Vol. 2 CD-Booklet.
Im Sommer 2007 wird Dependent seine Pforten schließen. Wir werden noch die aktuell geplanten Alben von Bands wie mind.in.a.box, Rotersand, Autoaggression, Suicide Commando, Pride and Fall, und Fractured veröffentlichen, noch einen Septic zusammenstellen und dann den Betrieb als aktives Label einstellen. Um erst einmal dem sich zwangsläufig verbreitenden Gerücht zu widersprechen: Wir sind keineswegs pleite, aber nach einer langen Zeit der Frustration haben wir uns trotzdem zu diesem Schritt entschlossen.
Warum genau erfahrt ihr auf den folgenden Seiten.
Zuerst mal wendet sich der Text eigentlich weniger an die Leute, die diesen im Dependence Booket lesen, denn sie gehören scheinbar noch zur aussterbenden Gattung derer, die für Musik bewusst Geld ausgeben.
Es geht nicht um Geld, das ging es nie. Es ging immer darum, Musik zu veröffentlichen, von der wir meinten dass man sie fördern sollte. Aber wer ein professionelles Label führen will, ohne sich nach ein paar Monaten total verschuldet auf dem Arbeitsamt wieder zu finden, der muss sich gezwungenermaßen mit einigen finanziellen Abläufen auseinander setzen, genau planen wie viel Geld und wie viel Werbung man in eine Produktion stecken kann und hier und da auch mal auf die Bremse treten. (Es gibt einige Schlaumeier die meinen, dass finanzielle Kalkulationen und der Idealismus eines Independentlabels per se nicht zusammenpassen. Dazu nur soviel: Diese Leute haben noch nie ein Schallplattenlabel geführt.)
Ich glaube das haben wir in den vergangenen sieben Jahren ganz gut hinbekommen, nicht unsinnig Geld verschleudert und Veröffentlichungen unterstützt, die es einfach verdient hatten. Trotzdem war das Geld knapp, und es wird in der Zukunft immer knapper werden, denn auch wenn wir unsere CDs so gut bewerben und produzieren, wie wir es können, werden sie immer seltener legal gekauft. Jede CD Veröffentlichung wird damit zum finanziellen Risiko.
Ein gutes Beispiel dafür ist die russische Piratenseite Mp3db.ru. Dort kann man nicht nur alles runterladen was im Bereich Elektro Rang und Namen hat, dort kann man auch sehen wie oft einzelne Veröffentlichungen von anderen Labeln heruntergeladen wurden. Während wir in den ersten zwei, drei Wochen von einer Veröffentlichung wie Seabounds "Double-Crosser" weltweit knapp 2500 CDs verkauften, war das Album dort nach 7 Tagen bereits bei über 5000 Downloads. Und das ist nur eine Seite unter vielen Piratenseiten wie Kazaa, BitTorrent, Morpheus, Shareazade, etc.. Insgesamt schätzen wir, dass auf jede verkaufte CD von Dependent mittlerweile 3 bis 5 illegale Downloads kommen.
Es wird im Internet immer behauptet, dass diese P2P Kultur die Majors schwächt und die Independent-Label stützt, aber das ist mit Verlaub gesagt totaler Bullshit. Auch wenn es einzelne Leute gibt, die sich Sachen auf P2P Seiten erst saugen um sie später wirklich zu kaufen scheint das bei der Mehrzahl der Leute nicht der Fall zu sein. Und auch wenn es mittlerweile legale Alternativen wie ITunes, Musicload oder Grenzwellen zuhauf gibt interessieren sich die meisten Leute kaum dafür. Viele Leute behaupten, Musik im Internet sei frei, weil sie frei verfügbar ist, und für jeden zugänglich. Dazu muss man sagen, dass Freiheit nicht ist, wenn alle Leute mit Dir machen, was sie wollen, sondern wenn du selbst machen kannst was du willst, dich aber für dein verhalten die Konsequenzen trägst, und dich den Konsequenzen deines Tuns stellst. Wenn alle Leute aber machen was sie wollen, ohne Regeln und Konsequenzen dafür ist das nicht Freiheit, es ist Anarchie.
Es ist uns eigentlich egal, ob wir unsere Veröffentlichungen auf CD oder als Download verkaufen, aber alleine die vernünftige Produktion und Bewerbung von Musik kostet eine Menge Geld, selbst wenn man keine CDs presst. Wir bemustern DJs und Presse, helfen unseren Musikern ihre CDs vernünftig aufzunehmen und zu gestalten, bezahlen Toursupports, oder verknüpfen Bands mit Veranstaltern und Agenturen und bewerben deren Liveshows.
Das alles kostet Geld, aber es ist nicht einmal unsere primäre Aufgabe. Unsere primäre Aufgabe ist es aus einem riesigen Wust von oftmals grottenschlechter Musik für euch die Perlen herauszupicken, von denen wir glauben, dass sie wirklich deutlich besser sind als andere, und die ein größeres Publikum verdient haben. Wir arbeiten schon Monate - teilweise auch schon mal bis zu einem Jahr - vor einer Veröffentlichung mit den Musikern zusammen und geben oftmals Tipps zur Verbesserung ihrer Musik, und an welchen Schwachstellen sie noch arbeiten sollten. Oftmals macht dieses "Coaching" ein gutes Demo zu einem sehr guten Debut, und die Platten sind oft spannender, abwechslungsreicher und professioneller als die ursprünglichen Demos die uns erreicht haben.
Im Endeffekt profitiert Ihr von dieser Feinarbeit, indem Ihr bessere Musik bekommt. Wenn euch also jemand erzählen will, dass Labels im Zeitalter des Internets überflüssig geworden sind, so glaubt denen nicht, denn sie haben meistens nicht einmal eine Ahnung davon, was ein Schallplattenlabel eigentlich ausmacht. Wer sich vom Gegenteil überzeugen will, kann gerne mal ein paar Stunden auf Myspace.com nach guten Demos suchen, um sich zu vergewissern wie viel langweiliges Zeug es dort draußen gibt, und dass das Finden und Bewerben von guter Musik eigentlich die Hauptaufgabe eines Labels ist nicht das Pressen von CDs, was nicht einmal 5% unseres Arbeitsaufwandes ausmacht. Die Hauptarbeit ist es, unsere Musik so gut wie möglich zu machen und sie aus der Masse herausstechen zu lassen.
In letzter Konsequenz handelt eine Plattenfirma aber nicht wirklich mit CDs, sondern mit Rechten an den Aufnahmen ihrer Künstler. Ob diese in Form von CDs, Vinyl, Mini Discs, Mp3-Dateien oder Schelack-Platen verkauft werden ist erst einmal unerheblich. Wichtig ist eher, dass der Handel mit diesen Rechten natürlich ganz stark unter Druck gerät, wenn diese Rechte gleichzeitig kostenlos im Internet verfügbar sind, oder ein paar Millionen Deppen glauben, sie wären es. Wir sind nicht das einzige Label, das derzeit darunter leidet.
Eigentlich ist es Aufgabe der Bundesregierung dafür zu sorgen, dass Musiker und Plattenlabel eine Plattform finden, auf der sie arbeiten können. Diese Plattform nennt sich Urheberrecht. Sie besagt, dass die Inhaber der Rechte, also die Musiker die ein Musikstück schreiben und aufnehmen und die Plattenfirmen denen sie diese Aufnahmen dann anvertrauen entscheiden können, was sie damit machen. Ob sie das Stück umsonst im Internet bereitstellen, auf CD pressen oder für alle Ewigkeit im Demokeller versauern lassen, ist allein ihre Entscheidung.
Das Urheberrecht ist spätestens seit Aufkommen des CD-Brenners und der P2P Tauschbörsen und Seiten wie Mp3db.ru faktisch außer Kraft gesetzt worden, und bräuchte eigentlich eine radikale Überarbeitung, Mp3db.ru existiert schon seit über zwei Jahren, und kann von Deutschland aus nicht gestoppt werden. Die Russen interessiert es herzlich wenig, ob in Deutschland irgendwelche Indie Labels die Segel streichen. Denn diese Seiten finanzieren sich durch Werbung, und davon können sie verdammt gut leben, auch wenn ihr Brennstoff, durch den sie Kunden auf ihre Seite ziehen, natürlich geklaut ist.
Aber die Bundesregierung hat es in mehreren Anläufen nicht geschafft, das über 30 Jahre in dieser Form existierende Urheberrecht so zu modifizieren, dass es auch heute den mit der Musik handelnden Personen eine Grundlage bietet, davon zu leben. Gäbe es ein Urheberrecht, das darauf hoffen ließe, dass sich die Situation für Label und Musiker wie uns verbessert, dann würden wir weiterkämpfen. Aber ich sehe da für die nächsten paar Jahre keine große Hoffnung.
In letzter Konsequenz jedoch machen wir nicht aufgrund der Existenz von Piratenseiten zu, sondern weil sie von zu Vielen benutzt werden, die unsere Bands und Songs zwar schätzen, dafür aber nichts bezahlen wollen. Auch wenn wir den Preis unserer CDs vor zwei Jahren deutlich gesenkt haben, so scheint das vielen Leuten immer noch zu teuer. Hierzu mal ein vergleichendes Beispiel: Wenn bei Konzerten 60% der Zuschauer mit illegal gedruckten Tickets in die Konzerthalle gekommen wären, würde der Veranstalter, die Band, die Agentur und die Konzerthalle nach wenigen Wochen pleite gehen. Wir leben jetzt schon Jahre damit, dass ein großer Teil unserer Musik nicht mehr gekauft sondern geklaut wird, aber wir haben ehrlich gesagt die Schnauze voll davon. Denn in letzter Konsequenz produziert man seine CDs dafür, dass gute Musik unter die Leute kommt. Für diese Arbeit will man entlohnt werden, wenn die Platte entsprechenden Anklang beim Publikum findet. Wenn man merkt, dass man aber von einem Großteil der Hörer verschaukelt wird, dann kann einem das schon das Jahr versauen.
Es fehlt uns nicht an guten Bands, oder am Spaß an Musik, sondern ein Motivation in diesem Markt weiter CDs zu veröffentlichen und in deren Erfolg zu investieren. Wir wissen, dass es vielen unserer Musiker auch so geht, und das Sie auch nur staunend und kopfschüttelnd davor stehen, wenn sie sehen in welchem Masse die Alben und Songs, an denen sie monatelang gearbeitet haben, gerippt und kopiert werden. Auch viele Bands sind gerade dabei die Segel zu streichen, oder in der Versenkung zu verschwinden.
Vielleicht trägt unsere Verweigerung und auch dieser Text dazu bei, dass einige Leute im Nachhinein wirklich verstehen, dass das Internet, Myspace.com, BitTorrent oder Mp3db.ru nicht wirklich Qualitätsarbeit der Label ersetzen kann. Denn geniale Bands wachsen genauso selten auf Bäumen wie man auf einem Flohmarkt plötzlich ein Kleid von Chanèl entdeckt, oder die Zeichnung eines wirklich begabten Künstlers.
Unser Dank und unsere Entschuldigung gehen an alle unsere Künstler, die größtenteils schon von dieser Entscheidung wissen, und natürlich an alle Leute die auch in den letzten Bands ausgegeben haben, anstatt sie von irgendwelchen Seiten zu laden oder sich von irgendwelchen Freunden brennen zu lassen. Wir respektieren das umso mehr, als das wir wissen dass ihr genauso gut auch einen anderen, billigeren Weg hättet nehmen können. Wenn es euch tröstet: Ohne euch hätten wir wahrscheinlich viel früher dicht machen müssen, und es hat als Motivation geholfen, dass man positive Rückmeldungen zu vielen Dependent-Veröffentlichungen bekommen hat. Danke dafür! Wir hoffen dass ihr uns für die letzten paar Monate die Treue halten werdet. Meinungen, Feedbacks, Vorschläge, Diskussionen können jederzeit gerne im Forum von www.dependent.de abgelassen werden. Wir würden uns freuen, wenn ihr auf diesen Text hinweist, denn es gibt noch Label und Künstler da draußen die ihre Motivation noch nicht verloren haben, und genauso um ihr Überleben kämpfen.
Meine persönliche Entschuldigung geht an alle Leute, die zusammen mit mir an and für Dependent gearbeitet haben insbesondere Heike, Ela und Lothar, Ned, Thorsten und natürlich Brigitta. Aber auch an unseren wirklich tollen Vertrieb Alive, unseren Labelmanager Jochen, deren Außendienst, sowie Luke und Alfred, Idealisten wie Claudia Schöne, Stefan Brunner, Ecki Stieg und alle, denen Musik ähnlich viel bedeutet wie uns. Keep looking. Respect the Music.
Stefan Herwig, Dezember 2006