Ach ja. Also... ich mochte solche Vorlesekreise immer extrem gern. Mein Ex und ich haben uns immer gegeseitig Deutsche Balladen vorgetragen und uns dabei ein bis zwei Flaschen Rotwein in den Schlund geschraubt... das war extrem lustig und hatte schon was (ok, wir hatten beide den Rhetorikkurs besucht und waren/sind Germanistikstudenten). Natürlich mitunter sehr übertrieben vorgetragen... aber die "Lenore" von G.A. Bürger kommt IMMER gut!
Vorlesen habe ich immer zu etablieren versucht. Vor einer halben Ewigkeit hatte ich sowas in der Art mit latenter Regelmäßigkeit für etwa ein Jahr zu etablieren geschafft... wir haben uns mit ein paar leuten zu einem bestimmten Thema Sachen herausgesucht, Lyrisches oder Prosa in Auszügen, und uns bei Kerzenschein, gutem Wein oder erlesenem Tee gegenseitig vorgelesen. Das ist was für Herbst und Winter, es ist schön... aber die Beteiligten sollten wirklich gut vorlesen können, sonst bringt das alles nichts.
Vor Urzeiten (Mitte der 90er) war ich auch mal "Mitherausgeberin" einer klitzekleinen elitären Literaturzeitschift, entstanden nach einem langen Kneipenabend mit ein paar anderen Literaturwissenschaftlern... wir waren ein paar Leute, die schreiben, zeichnen und fotografieren konnten, ein richtiger kleiner Künstlerzirkel - nicht schwarz, wohlgemerkt... haben uns einmal im Vierteljahr getroffen und das Konzept besprochen. Es gab nur ganz wenige Ausgaben, denn bald waren wir in alle Winde zerstreut und hatten kaum noch Gelegenheit, uns zu treffen. Aber auch das war schön. Die Zeitschrift hieß "archidee".
Zuletzt bleibt zu sagen, daß ich immer gern bei Rezitationen mitgemacht habe und anno 2002 habe ich mit einer Freundin zusammen eine Lesung vor einer Disintegration-Party gemacht, als die Ex-Cascade am Bahnhof noch "Ballhaus" hieß... klassisch und klischeereich. Eigene Texte, Songtexte und Lyrik (natürlich u.a. von Poe). Dazu wurden Fotos mit einem Projektor an die Wand geworfen und wir haben Texthefte verkauft. Ok, es war schlecht besucht... aber das Feedback war trotzdem gut.
Einen Vorlesekreis würde ich sehr befürworten, besonders, wenn jetzt wieder die ungemütlichen Monate beginnen. Wir haben damals klassische Themen ausgesucht... Märchen oder erotische Geschichten oder Fabeln... ich fand sowas immer klasse und freue mich auch schon drauf, wenn mein Töchterlein alt genug ist für Gutenachtgeschichten, ich werde es zelebrieren. Meine Eltern haben mir als Kind auch immer vorgelesen. Und als ich vor ein paar jahren mit meiner mutter an die Nordsee gereist bin, habe ich ihr abends statt fernsehen immer ein Stück aus "Carmilla" von Joseph Sheridan LeFanu vorgelesen - DAS ist eine tolle Geschichte.
Wer das lächerlich und altmodisch findet - ok, akzeptiert. Aber ein kleiner Kreis guter Vorleser hat wirklich was.