Sterbehilfe in den USA

Beitragvon Niggels » 28. Mär 2005, 12:54

Angeblich soll sie von dem Verhungern bzw. Verdursten aufgrund des Komas sowie von Schmerzmitteln rein gar nichts merken...

Finde das aber auch trotzdem ein wenig strange.
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Beitragvon nemcon » 28. Mär 2005, 17:57

@lux et tenebrae: Mal eine etwas provokant formulierte Frage: Wenn schon Euthanasie, dann schnell, effektiv und kostenschonend? Das könnte dann derjenige, der es anordnet, auch gleich super als schonende Methode für den zu tötenden Menschen verkaufen, praktisch nicht wahr?

Als nächstes bekommen dann Leute, die aufgrund einer Querschnittslähmung oder einer einfachen Grippe nicht mehr selbständig essen können, die Giftspritze verpasst?

Die Besonderheit beim aktuellen Fall ist doch, dass Frau Schiavo ja keine "Maschinen" benötigt, sondern schlichtweg Hilfe bei der Ernährung. Die Versorgung mit Hilfe einer Magensonde ist ja nur eine rein pflegerische Maßnahme und keine lebensverlängernde Behandlung.
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Beitragvon lux et tenebrae » 28. Mär 2005, 18:38

@nemcon: Ich sprach nicht von dem hier vorliegenden Fall, sondern allgemein. Ich schrieb auch:
wir einmal an, es liegt eine Patientenverfügung vor,
. Also meinte ich einen Fall, wo der erklärte Patientenwille vorliegt nicht künstlich am Leben gehalten zu werden.
Euthanasie hat übrigens nicht nur die Bedeutung: "Vernichtung von für lebensunwert erachteten Lebens" (nazi), sondern auch "absichtliche Herbeiführung des Todes bei unheilbar Kranken durch Medilamente od. Abbruch der Behandlung". Insofern liegt in diesem speziellen Fall bereits Euthanasie vor. Ich habe lediglich beklagt, daß, wo es denn schon so weit ist, man den Patienten lieber langsam zugrunde gehen läßt, statt es schnell zu beenden (wo ja durch Abbruch der Behandlung sowieso das Ergebnis feststeht). Ich habe meines Erachtens auch nirgendwo geschrieben, man solle alle Komapatienten umbringen oder so, sondern es geht um den Fall, wo die betreffende Person verfügt hat, man möge im Fall eines langdauernden Komas keine lebensverlängernden Maßnahmen ergreifen. Es ist außer in den Niederlanden im Westen üblich dann einfach die Ernährung einzustellen, die Patienten verhungern. Ich finde, wenn man die Behandlung schon abbricht, dann sollte man auch konsequent sein und das Leben beenden und nicht Menschen über Wochen zugrunde gehen lassen.
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Beitragvon Campy » 28. Mär 2005, 20:00

So ähnlich sehe ich das auch.
Aber wahrscheinlich ist das in den Augen der meisten halt unverfänglicher, einfach etwas sein zu lassen, als aktiv etwas zu tun.
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Beitragvon eclipse » 29. Mär 2005, 08:11

Hallo Ihr,

also ich sehe das auch so, daß alleine die Vorstellung, jemanden verhungern und verdursten zu lassen (egal, ob der was davon mitkriegt oder nicht), viel grausamer ist als eben besagte schnelle Spritzenmethode. Der - mal wieder juristische - Unterschied zwischen beiden Möglichkeiten ist der zwischen "aktiv" und "passiv". Wenn aktive Maßnahmen generell und ohne Ausnahme verboten sind (und das aus gutem Grund, nämlich um Mißbrauch grundsätzlich auszuschließen), bleiben nur noch die passiven Maßnahmen. Auch wenn sie grausam sind. Das hat also weniger mit der Feigheit der Leute, die zu entscheiden haben, zu tun als vielmehr mit den Grenzen, die wir uns selbst gesetzt haben (also den Gesetzen), weil sie im allgemeinen vor Schlimmerem bewahren sollen, im Einzelfall aber deutliche Nachteile für den Betroffenen haben können. Gesetze müssen unbedingt Allgemeingültigkeit aufweisen, sonst sind es keine Gesetze mehr, sondern nur mehr Regeln oder Empfehlungen, die man gerade dann umgehen kann, wenn man sie mißbrauchen möchte.
(Ich klugscheiße hier nur so rum, weil ich mit nem Juristen verlobt bin, von dem ich solche Prinzipien schmerzlich habe lernen müssen. Inzwischen hab ichs eingesehen, aber das hat gedauert.)

Und ob das Verhungernlassen bei Komapatienten jetzt schmerz- und beschwerdefrei vonstatten geht oder nicht, weiß wohl keiner. Ich glaube auch, daß die Patientin nichts davon mitkriegen wird. Aber gerade in solchen heiklen Fällen darf man meiner Meinung nach nicht glauben, sondern man muß wissen, um nicht eventuell verheerende Fehler zu machen!
Sehr schlimmes Beispiel: Früher hat man noch geglaubt, Neugeborene seinen noch nicht fähig, Schmerzen zu empfinden, weil ihr Nervensystem noch nicht fertig entwickelt ist. Daher hat man bei (ich glaube) bis zu 6 Monate alten Säuglingen operative Eingriffe nur unter Muskelralaxation (mit Medikamenten, die die Muskelanspannung verhindern) durchgeführt; die eigentliche (Voll-)Narkose hat man sich im Hinblick auf das Risiko von Kreislaufkomplikationen geschenkt.
Heute weiß mans besser... Aber es hat den Babies damals nicht viel geholfen, daß irgendwer geglaubt hat, sie würden bei der OP keine Schmerzen empfinden. In Wirklichkeit haben sie jeden Schnitt mit vollem Bewußtsein und Schmerzempfinden mitbekommen. Darum meine ich, wenns um anderer Leute Unversehrtheit geht, dann reicht glauben einfach nicht aus.

@nemcom: Danke erstmal für den Link; ist ja recht interessant. Jetzt hast Du mich soweit, daß ich nachher in der Mittagspause mal selber recherchieren gehe. ;) In einigen Deiner Links (und auch anderen I-Net-Seiten zu dem Thema) gab es Hinweise auf Fälle, wo apallische Patienten wieder aufgewacht sind - nur keinen konkreten. Und in einem Deiner Links stand auch drin, daß Kritiker davon ausgehen, daß die Wiedererwachten gar nicht im Wachkoma gelegen hatten, sondern "nur" in einem ähnlichen Zustand. Und da ich jemand bin, der es immer ganz genau wissen will, mach ich mich nachher mal auf die Suche, was denn verflixt nochmal jetzt wirklich stimmt. Jetzt will ichs nämlich wissen. ;)

Schönen Gruß,

eclipse
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Beitragvon lux et tenebrae » 29. Mär 2005, 08:23

hier mal ein anderer Kommentar aus den USA :unsure:

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Beitragvon nemcon » 29. Mär 2005, 12:26

@lux:

Ok - dann sind wir uns soweit ja einig. Aber andere gehen damit halt extremer um, denen darf man meiner Meinung nach nicht Tor und Tür öffnen.

Was ist z.B. mit jemandem, der erfolglos versuchte, Selbstmord zu begehen. Sollte man ihm, weil er ja eindeutig zeigte, dass er nicht mehr leben wollte, den Gnadenstoss geben? Oder sollte man versuchen, ihn besser zu integrieren, damit er sowas in Zukunft nicht mehr nötig hat und evtl. weiter zum Gemeinwohl beitragen kann?

@eclipse:

Ich glaube das Problem ist, dass auch die Fachleute noch nicht so genau wissen, was da mit den betroffenen Menschen wirklich passiert.
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Beitragvon indie » 29. Mär 2005, 19:45

ich finde es ganz gut, daß die diskussion hier geführt wird, besonders dankbar bin ich für die beiträge von nemcon.
vielleicht habe ich es überlesen, aber mir fiel noch ein:

kann man es wirklich den eltern abschlagen, ihr kind weiter zu ernähren?
kann man wirklich einen menschen "verhungern" lassen und während dieses prozesses ankündigen, man wolle nach dem tod eine autopsie beantragen, um irgendetwas nachzuweisen?

ich verstehe nemcons beiträge so, daß er der "ehrfurcht vor dem leben" (altmodisch ausgedrückt, stammt von albert schweitzer) vorrang geben möchte. dies gefällt mir. und sind wir es wirklich, die den hebel umlegen sollen, dürfen, können? ich glaube, ich könnte es nicht...

das hirntodkriterium ist übrigens eingeführt worden, als es möglich war, organe zu transplantieren, was wiederum voraussetzte, "lebende tote" zu haben, denen organe "frisch" entnommen werden können. die einzelheiten sind ziemlich unappetitlich.
das kriterium "hirntod" ist im prinzip willkürlich definiert worden. es steht in konkurrenz zum "herztod".
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Beitragvon eclipse » 29. Mär 2005, 20:28

Hi indie,

ich bin da wirklich tutto completti zwiegespalten. Auf jedes Argument der einen Seite fällt mir eins für die Gegenseite ein - und umgekehrt.

Zu Deiner Frage mit dem Hebel: Bevor Du fragen kannst, wer den Hebel umlegen darf/sollte/kann, müßtest Du fragen, wer es überhaupt so *weit* gebracht hat, solche Menschen künstlich am Leben zu erhalten - und was wäre, wenn wir das nicht könnten... Dann wäre Mrs. Schiavo schon ganz lange tot, und zwar ohne Medienrummel, neue Gesetze und eine ganze Armee Rechtsanwälte.
Mit anderen Worten: Wir (die Menschen) haben große Teile des Überlebenlassens in unsere Hände genommen und Gott nicht gefragt. Nun stellt sich die Frage, wer die Verantwortung dafür tragen kann. Es gibt da so ein chinesisches Sprichwort; in etwa: "Wenn Du einen Selbstmörder an seinem Tun hinderst, dann bist Du für den ganzen Rest seines Lebens verantwortlich". Trifft die Sache nicht ganz, aber als Metapher für mein oben geschriebenes ganz passend.

Ich weiß selber, daß mein Standpunkt sehr widersprüchlich ist, also ich will hier wirklich niemandem seine Meinung nehmen und habe in letzter Konsequenz, also wenn ich entscheiden müßte, eigentlich selber keine. Und das liegt daran, daß der Fall so schwierig ist, daß beide Seiten eigentlich untragbar sind. Finde ich jedenfalls.

Einerseits will ich nicht in so einer Lage sein, und wenn, dann wollte ich, daß mir jemand das Sterben ermöglicht. Andererseits, wenn man außen steht, die Person selber nicht mehr fragen kann und entscheiden muß, muß man zuallererst die Achtung vor dem Leben bewahren, ganz ohne Ansehen des speziellen Lebens, um das es gerade geht.

Jemandem sein Leben zu nehmen, der das nicht will, ist ganz genau so falsch wie jemandem sein Sterben zu nehmen, der das nicht will.

Zumindest finde ich es gut, daß wir auf diese Weise mal wieder dazu gebracht werden, mal ganz genau nachzudenken. An sowas wächst man, lernt man. Ich jedenfalls.

In diesem Sinne,

eclipse

PS: Frage an alle, die Frau Schiavo nicht sterben lassen würden (und ganz und gar nicht provokativ gemeint): Würdet Ihr an ihrer Stelle leben oder sterben wollen?
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Beitragvon indie » 29. Mär 2005, 20:44

hi eclipse,

das hast du ganz gut geschrieben, da finde ich mich auch ziemlich wieder. und es ist wirklich eine schwere, ja unmögliche frage.
wir sind in der lage, am leben zu erhalten. anders als die zeugen jehovas lehnen wir keine bluttransfusion ab bei großem blutverlust. damit will ich sagen: wir dürfen die instrumente nutzen, die wir haben - meiner meinung nach (die zeugen jehovas sehen es anders).
gerade weil es so unsäglich ist, hier zu entscheiden, wäre es mir lieb, man gäbe dem leben den vorzug (in dubio...) die frage wäre für mich u.a.: wem schadet es? (ich meine jetzt nicht die krankenkassen...) wenn die eltern für die frau sorgen wollen: warum läßt man sie nicht?

kann es sein, daß wir uns manchmal nicht zu positionen durchringen können, weil sie zufällig von der kath. kirche mit ihrem breiten hintern (sorry) besetzt werden oder von "erzprotestanten"? ich bin nicht katholisch, aber das wäre für mich vom prinzip her kein hinderungsgrund, hier gemeinsame sache mit denen zu machen.

aber in jedem fall finde ich es gut, sich darüber gedanken zu machen und ins gespräch zu kommen, auch wenn man keinen nenner findet - muß hier ja auch nicht.
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Beitragvon nemcon » 29. Mär 2005, 23:45

Hallo nochmal,

ich habe eben eine sehr interessante Diskussion bei Sandra Maischberger gesehen, in der es u.a. auch um die Frage des Hirntods ging (es ging insgesamt um Organspenden/-transplantationen) und was ich besonders wichtig fand war, dass alle Gäste die Meinungen der anderen Gäste akzeptierten. Man kann nur aufgrund seiner eigenen Erfahrungen für sich selbst entscheiden, da waren sich sogar ein transplantierender Arzt und eine Gegnerin der Transplantation einig.

Ich persönlich möchte weiterleben, solange auch nur der Funken einer Hoffnung besteht, dass ich zumindest Herr meiner Gefühle und Gedanken bin. Wenn das erwiesenermaßen nicht mehr gegeben ist, bin ich gerne dazu bereit, dass mein Körper zur Entnahme meiner Organe kurzfristig weiter am Leben gehalten wird. Danach soll mein Körper bitteschön möglichst flott ins natürliche Recyclingsystem übergeben werden, damit keine wertvolle Energie verschwendet wird ;)
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Beitragvon indie » 30. Mär 2005, 07:31

nemcon hat geschrieben:
Ich persönlich möchte weiterleben, solange auch nur der Funken einer Hoffnung besteht, dass ich zumindest Herr meiner Gefühle und Gedanken bin.


wiederum gut gesagt, damit könnte ich mich auch anfreunden. aber ich glaube, da prallen letztlich zwei welten aufeinander. "hoffnung" und "gefühle" und "gedanken" (auch "liebe") sind größen, mit der die biologistische richtung wenig anfangen kann, schon deshalb, weil man die nicht messen kann. jedenfalls nicht mit technik. so geht es irgendwie auch um weltanschauung, was ja nicht weiter schlimm wäre, wenn man nicht um menschenleben zerren würde. nun würden einige sagen, das ist ja auch kein menschenleben mehr (schiavo), und genau da sind wir dann bei der weltanschauung und bei noch viel mehr. ich schließe mich lieber der hoffnungs-und-gefühls-fraktion an.
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