Zeitumstellung
<span style='font-size:14pt;line-height:100%'>Die Deutschen mögen die Sommerzeit nicht</span>28. März 2009 Die meisten Deutschen lehnen die zweimalige Umstellung der Uhren im Jahr ab. In einer repräsentativen Umfrage des Emnid-Instituts im Auftrag der „Bild am Sonntag“ stimmten 55 Prozent der Forderung zu, die Sommer- und Winterzeit abzuschaffen. Dagegen sprachen sich 41 Prozent für die Zeitumstellung aus.
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<span style='font-size:7pt;line-height:100%'>(Anm.: Coole Graphik... eine Fledermaus... *g*)</span>
In Westdeutschland sind 54 Prozent für die Abschaffung, im Osten sogar 62 Prozent. Für die Studie wurden am Donnerstag 503 Menschen befragt. Jüngere Deutsche zwischen 14 bis 29 Jahren sehen das Drehen an der Uhr positiver: 56 Prozent wollen an der Regelung festhalten; 41 Prozent sind dagegen. Bei den 40- bis 49-Jährigen haben 77 Prozent keine Lust mehr auf die Zeitumstellung, 21 Prozent wollen sie beibehalten. Befragt wurden am Donnerstag 503 Personen. Allerdings waren bei einer Umfrage der Zeitung zum selben Thema im März 2008 noch mehr Deutsche (62 Prozent) dafür, die Zeitumstellung wieder abzuschaffen.
An diesem Sonntag ist die Nacht eine Stunde kürzer als sonst. Zur Umstellung auf die Sommerzeit wird in Deutschland und allen anderen EU-Ländern um Punkt 2.00 Uhr die Uhr um eine Stunde auf 3.00 Uhr vorgestellt. Morgens bleibt es damit länger dunkel und abends länger hell. Zuständig für das Zeitsignal ist der Sender DCF 77 in Mainflingen bei Frankfurt/Main. Am 26. Oktober endet die Sommerzeit.
Wer sich immer wieder fragt, in welche Richtung es nun diesmal wieder geht, dem sei geraten, über eine Eselsbrücke in die neue Zeit zu reiten. Alle wollen zur Wärme, also wird die Zeit „in Richtung Sommer“ umgestellt: im Frühling eine Stunde vor, im Herbst eine Stunde zurück.
Die Historie der Zeitumstellung ist eine Geschichte des - versuchten - Energiesparens. Als Urvater der Sommerzeit gilt Benjamin Franklin (1706-1790). Der amerikanische Politiker und Erfinder kritisierte 1784 in einer Denkschrift über „die Kosten des Lichts“ den hohen Verbrauch an Kerzen und forderte eine Zeitumstellung zur besseren Ausnutzung der natürlichen Helligkeit. Es sollten mehr als 100 Jahre vergehen, bis erste Staaten im Sommer an der Uhr drehten.
In Deutschland war es 1916 soweit. Energie für Strom war während des Ersten Weltkrieges knapp, und das Kaiserreich wollte durch längeres Tageslicht die Arbeitskraft der Beschäftigten in der Rüstungsindustrie besser ausnutzen. Ähnliche Gründe dürfte es gehabt haben, als im Zweiten Weltkrieg die Berliner Machthaber 1940 die Sommerzeit wieder einführten. Sie galt dann bis 1949. Im Notjahr 1947 gab es sogar eine Hochsommerzeit, und die Uhren wurden für Mai und Juni eine weitere Stunde vorgestellt.
Weniger Licht machen, dafür mehr heizenErst von 1980 an mussten die Deutschen im Frühjahr wieder eine Stunde früher aufstehen. Andere Länder waren der Zeit voraus, als damals die Bundesrepublik - zeitgleich mit der DDR - unter dem Eindruck der Ölkrise von 1973 die Sommerzeit einführte. Energiesparen war das Hauptmotiv für das 1978 beschlossene Zeitgesetz „für eine bessere Ausnutzung der Tageshelligkeit“. Experten hatten errechnet, dass damit der Stromverbrauch um etwa 0,15 Prozent zurückgeht.
Aber: Nach Erkenntnissen des Bundesumweltamtes brennen zwar während der Sommerzeit abends weniger Glühbirnen, dafür wird morgens mehr geheizt. Wer früher aufsteht, dreht auch eher am Thermostat - besonders im oft noch kühlen Monat April. Insgesamt steige der Energieverbrauch dadurch sogar an. Auch nutzen mehr Menschen die Helligkeit am Abend zu Ausflügen mit dem Auto. Ergebnis: höherer Benzinverbrauch statt Einsparung von knappem Öl.
Hoffen auf „Momo“So alt wie die Sommerzeit ist der Widerspruch gegen die „gestohlene Stunde“. Man hofft auf eine „Momo“, die wie im Buch von Michael Ende (1929-1995) den grauen Zeit-Dieben das Handwerk legen soll. Müde Menschen klagen über eine Art „Mini-Jetlag“ mit schlechtem Schlaf, Konzentrationsproblemen oder Schwankungen der Herzfrequenz. Weil die innere Uhr den Körper noch nicht komplett geweckt hat, soll es sogar mehr Autounfälle geben. Die anfangs laute Kritik aus der Landwirtschaft ist inzwischen leise geworden. Zwar müssen Melker früher aufstehen als sonst, aber der befürchtete Rückgang bei der Milchproduktion blieb aus. Die Bauern geben den Kühen für die Zeitumstellung im Euter einfach ein paar Tage Zeit.
Inzwischen gilt in weltweit mehr als 60 Ländern eine Sommerzeit. Seit 1996 stellen alle EU-Mitgliedsstaaten die Uhren zum gleichen Zeitpunkt am letzten Sonntag im März eine Stunde vor und am letzten Oktober-Sonntag wieder zurück. Noch im Jahr 2007 forderten „Dr. Guido Westerwelle und Fraktion“ im Deutschen Bundestag „Bürokratie abbauen - Zeitumstellung abschaffen und Sommerzeit permanent einführen“. Der FDP-Antrag fand keine Mehrheit, und die Uhren werden weiterhin vor- und zurückgestellt: in diesem Jahr, im nächsten und so weiter.
Text: FAZ.NET